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Pressespiegel

Kreiszeitung Böblingen

Erstes Böblinger Jazzfestival in der Stadtkirche - Toller Auftakt

Böblingen - Die Eröffnung des ersten Böblinger Jazzfestivals in der Stadtkirche war ein voller Erfolg. Hohe Qualität und ein fast volles Haus sind gute Voraussetzungen für eine Fortführung.

Man hat Peter Lehel mit seinem Saxophon schon anders gehört: virtuos, jazzig, fast schon so virtuos, dass für Expressivität kaum noch Platz blieb. Hier allerdings, in der Stadtkirche und mit einem denkwürdigen Konzert, hat er eine andere Seite gezeigt. Lehel goes Neue Musik könnte man es nennen, wenn es nicht auch dagegen reichlich Einwände gäbe. Wenn Pipes and Phones antreten - so nennt sich diese Formation mit dem Organisten Peter Schindler und dem Perkussionisten Markus Faller - dann fehlen nicht nur die Schubladen, in die man ihre Musik einordnen könnte, es fehlt auch das Bedürfnis, diese Schubladisierung vorzunehmen.

Kompositionen von Peter Schindler und Peter Lehel sind da zu hören und ein Zusammenspiel zwischen Orgel und Saxophon, bei dem die Klänge der Instrumente dank geschickter Registrierung der Orgel miteinander zu verschmelzen scheinen und wieder auseinanderdriften. Wenn die Orgel einerseits dazu dient, Klangteppiche für expressivstes, sich überschlagendes Saxophonspiel herzustellen, dann aber wieder auch wie ein Mitglied der Rhythmusgruppe daherkommt, dann merkt man, was außer der Fähigkeit zu sonntäglicher Choralbegleitung noch alles in diesem Instrument steckt.

Dass Markus Faller am Schlagzeug einen wichtigen Beitrag liefert, soll nicht unerwähnt bleiben. Weitab von jeglichem rhythmischen Beckengerühre ist er in dem fuga genannten Satz der Organumsuite von Peter Schindler sogar als gleichberechtigte Fugenstimme zu hören und zu bestaunen. Ein anspruchsvolles, anstrengendes, aber überaus anhörenswertes Programm.

Klezmer - Tradition und Lebensgefühl
Wer es bis nach der Pause durchgehalten hatte, wurde belohnt: von gleich hoher Qualität, aber den Kopf deutlich weniger anstrengend waren David Orlowskys Klezmorim zu hören. Hier auch war mit dem Gitarristen Jo Ambros der erste Ex-AEGler beteiligt. Was genau diese Klezmer-Musik ausmacht, die aus dem Ostjudentum kommt, ist schwer zu beschreiben. Sie kann überschlagend ausgelassen sein und bleibt dennoch immer auch ein wenig traurig, schwermütig. Klezmer hat nicht nur eine lange Tradition, Klezmer ist auch ein Lebensgefühl, so dass es durchaus möglich ist, neue Klezmer-Melodien zu komponieren, die von den Traditionals nicht zu unterscheiden sind.

Bass und Gitarre zur Garnierung verdonnert
Alle drei Kleszmorim waren auch mit eigenen Kompositionen vertreten. Voraussetzung für in Herz und Kopf gehenden Klezmer aber sind hervorragende Musiker. Und das sind David Orlowsky und seine Mannen (am Bass und das hervorragend: Florian Dohrmann). Was der junge David Orlowsky auf seiner Klarinette an Klängen erzeugt, wie er das Instrument verwendet, um Gefühle und Stimmungen im Zuhörer zu erzeugen, das deutet auf eine große Zukunft hin, die ihm der große Giora Feidmann auch prophezeit hat.

Bei dieser überragenden Virtuosität sind in diesem Trio Bass und Gitarre, so gut sie auch sind, so sehr sie auch manchmal mit ganzen Passagen ihre Virtuosität zeigen können, zur Garnierung verdonnert. Unabänderlich bei dieser Besetzung, die verglichen mit anderen Klezmergruppen eher kammermusikalisch daherkommt. Ein toller Auftakt jedenfalls für das erste Böblinger Jazzfestival.


Ausstellung im Foyer der Kongresshalle - Jazzige Fotos und Schmuck

Böblingen - Eine Ausstellung im Foyer der Kongresshalle begleitete die ersten Böblinger Jazztage. Verblüffend, wie gut sich dieser Raum dafür eignet.

Ausstellungen, die aus verschiedenartigen Elementen bestehen, bergen immer die Gefahr von Beliebigkeit, auch wenn man sich an einem Thema orientiert. Dominierend bei dieser Ausstellung sind eindeutig die Fotografien von Jazz-Musikern, die der Fotograf Rüdiger Schestag inzwischen auch in einem Buch veröffentlicht hat. Zwischen ausgezeichneten Porträtstudien - so von dem Böblinger Gitarristen Jo Ambros - und impressionistisch anmutenden verwischten, teilweise wohl langzeitbelichteten Studien der Musiker bei der Arbeit entdeckt man viele Musiker der Stuttgarter Szene. Wie schwierig es ist, das Jazzige der Situation fotografisch festzuhalten, wird erst bei diesen Fotografien so richtig klar.

Das gelingt den Oberstufenschülern des AEG mit ihrem Teil der Ausstellung fast besser. In Farbe oder Bleistift hängen Arbeiten der Schüler zum Thema Jazz. Von hoher Expressivität, teilweise beeindru- ckend in der Komposition sieht man hier eine gelungene Symbiose von Jazz und Kunst. Bei mancher der Arbeiten meint man zu sehen oder gar zu hören, welche Art von Jazz da über die Ohren in die zeichnenden und gestaltenden Hände der jungen Künstler gelangt ist.

Die Schmuck-Designerin Susanne Gürtler stellt dazu in drei kleinen Vitrinen Arbeiten aus, die sich auf sehr direkte Weise mit dem Thema Musik beschäftigen. Broschen mit Noten, eine Art Trommel als Ring oder ein anderer Ring, der mit einem ganzen Notensystem verziert ist, sind hübsch anzusehen, aber wohl eher nicht zum unfallfreien Tragen geeignet. Mit einer Performance bereicherte die Mobile Bühne Soulmobil der Designerin Nici Schulcz und des Gestalters Henning Brandes die Vernissage.


AEG All Star Band und Bujazzo in der Kongresshalle

Böblingen - Ob Böblingen eine Jazzstadt wird? Zum Teil ist sie es ja schon, denn die Big Band des Albert-Einstein-Gymnasiums steht seit 10 Jahren unter der Leitung von Tilman Jäger und errang schon den inoffiziellen Titel des Deutschen Meisters. Dieses kleine Jubiläum war auch der Anlass für das erste Böblinger Jazzfestival, das an drei Tagen nicht weniger als fünf Veranstaltungen offerierte.

Selbst Jazz & Brunch am Sonntagvormittg war ausverkauft, und selbst zum Schlusskonzert mit den Gruppen Rondvaart und Common Sense Millenium Band war der Württembergsaal mit rund 150 Zuhörern noch ordentlich besetzt. Mittelpunkt aber war Band Battle im Europasaal mit der Jubiläums All Star Big Band des Albert Einstein-Gymnasiums unter Tilman Jäger und dem Bundesjugendjazzorchester unter Peter Herbolzheimer.

Obwohl das allzu viel Gleichklang vermuten ließ, waren die beiden Darbietungen so unterschiedlich wie Schwarz und Weiß. Jäger hatte fast ausschließlich eigene Kompositionen bzw. Arrangements ausgewählt, die abgesehen von O when the saints einem Jazzstil verpflichtet waren, der wenig an eine klassische Big Band erinnerte. Schon Titel wie Unruhige Wälder oder An hellen und dunklen Tagen standen für eine intellektuell durchgeformte Musik mit Klangverästelungen, die ein Musizieren verlangten, das eher an komplexe klassische Kammermusik denken ließ. Bis ins Feinste waren die Klanggewebe gesponnen, quasi-impressionistische Effekte nicht ausgenommen. So waren auch die Soli vor der Band offenbar einstudiert. Einzig im Saxofon-Soloduo von Frank Lauber und Andy Maile bei A pair of aces blinkten überraschende Elemente auf.

Dass die All Star Big Band auch traditionellen Brass-Sound drauf hat, verriet sie mit Gershwins Klassiker Strike up the band und mit dem Latino-Funky geprägten Jazz't hat's gefunkt. Trotz begeisterten Applauses gab es keine Zugabe, sondern das kurz Bujazzo getaufte Eliteorchester aus deutschen Landen, in dem gleich zwei Posaunisten der AEG-Gruppe weiterspielen durften, Felix Fromm sogar als Solist, dem die schwierigen Posaunenläufe wie geschmolzene Butter aus dem Schalltrichter glitten.

Zweimal im Jahr gibt es 14-tägige Probenphasen für das Bujazzo und die Anzahl der Bewerber übersteigt die freien Plätze bei weitem. Nach dem Training in Trossingen mit vielen internationalen Jazzgrößen gehen die Jugendlichen (rund 16 bis 24 Jahre) auf Tournee - eben auch in Böblingen. Stärker der Tradition der amerikanischen Bläserchorusse und den improvisierenden Soli verpflichtet, ist der Musikstil explosiver als der der Böblinger Band. Da braust dann klangmächtig der Turbo durch die Kongresshalle - aggressiver zwar, aber auch mit beredten, teilweise umwerfend quirrligen Soli. Auf die Spitze wurde die rasende Virtuosität getrieben mit Gillespies sich nahezu überschlagendem Cherokee; Peter Herbolzheimers Ansage zum Publikum: Sie können ruhig mitsingen, sie kommen sowieso raus. Doch gab es auch gefühlvolle Balladen und eine Vokalgruppe, aus der Susanne Stabert als geläufige Gurgel mit viel Stimmband-Feeling brillant herausleuchtete. Beifall und Zugaben nach drei Stunden.


Abschluss des Böblinger Jazzfestivals mit Rondvaart und Common Sense Millenium Band

Böblingen - Kopfmusik und Töne für den Bauch: die beiden (Ex-)Böblinger Frank Lauber und Martin Johnson sorgten mit ihren Formationen am Sonntagabend für einen kontrastreichen Abschluss des Jazzfestivals.

Stuhl, Kerze, Dunkelheit. Düsterer Oberton-Gesang auf den Lippen, bewegen sich fünf Gestalten mit gravitätischen Schritten auf die Bühne. Dann Besen, die zart raschelnd am Schlagzeugbecken streichen, dürre Piano-Akkorde, verlorene Bass-Zupfer und ätherische Töne aus dem Saxofon: Rondvaart, die Gruppe des mittlerweile in Köln lebenden Saxofonisten Frank Lauber beginnt ihre Hommage an Nino Rota.

Melodielinien, Töne, die sich zu einem Song oder eine Komposition verdichten? Fehlanzeige. Aus den Saxofonen von Frank Lauber und Jasper Bloms dringt allerhöchstens ein zarter Hauch, ein ruppiger Stoß - fragmentarische Fanfaren und kürzelhafte Tonfetzen bahnen sich den Weg ins Auditorium und verdichten sich, begleitet von der im metrischen Niemandsland agierenden Rhythmusgruppe, zu freien Improvisationen und tonalen Eruptionen. New-Jazz, Free-Jazz, No-Jazz? Zumindest Musik weit ab von der Befriedigung des Massengeschmacks, weit entfernt von der Struktur des Alltäglichen und knapp an der Grenze dessen, was für das Normal-Publikum konsumierbar ist. Als Frank Lauber mit entrückter Mimik seinem Altsaxofon immer dieselben zwei Töne entlockt und diese zusammen mit Schlagzeug und Bass zu einem zähen, ostinaten Klangteppich weiterentwickelt, über dem Jasper Bloms eine ruppige Sopran-Sax-Orgie abliefert, drängt es dann auch einige Zuhörer überfordert aus dem Raum. Nach einer Stunde, in der die Intuition einen klaren Punktsieg über die Interaktion davontrug, nach sechzig spannenden Minuten verkopfter improvisierter Musik dann wieder Obertöne und der Abgang durchs Publikum. Was blieb, war die brennende Kerze und die Frage, wer ist eigentlich Nino Rota?

Klischeehafter Schluss mit Rapper-Quartett

Fette Grooves und pralle Funk-Licks formierten sich dann anschließend zum prallen Kontrastprogramm. Mit jenem Gitarrenriff, das sich sofort ins Hirn brennt und Herbie Hancocks Funkjazz-Hammer Hang up your hang ups Anfang der siebziger Jahre unsterblich gemacht hat, betrat die Common Sense Millenium Band die Bühne und nahm die Zuhörer mit in eine Zeit, in der die Musik noch mit der Hand gemacht wurde, der Jazz sich auf einen heftigen Flirt mit Rock und Funk einließ und Herbie Hancock mit seiner Combo Headhunters Musikgeschichte schrieb. Einer der größten Keyboarder und unser aller Vorbild, bekannte Common Sense-Boss Martin Johnson. Grund genug für die Band, sich Hancocks Jazzfunk-Jahren anzunehmen und seine Kompositionen zu interpretieren.

Dass dieses ambitionierte Unterfangen nicht im Desaster endet, ist Johnson und seiner Band, allesamt Musiker aus der Stuttgarter Szene, zu verdanken. Diese meisterten die kniffligen Breaks und verschachtelten Metren der Vorlagen mit Druck und Verve. Martin Johnson, der sich neben seinem Job an der Böblinger Musikschule auch als Film- und Fernsehkomponist verdingt sowie als musikalischer Direktor für die Comedy-Truppe Badesalz verantwortlich ist, legte in seinen Arrangements im Vergleich zu den Hancock-Originals den Schwerpunkt auf Gitarre und Saxofon. Phillip Konowski und Andy Maile nutzten diese Freiräume, um den Songs ihren eigenen Stempel zu verpassen.
Ein Kriterium, das man schmerzlich vermisste, als Johnson ein Rapper-Quartett aus Stuttgart auf die Bühne bat. Dürftiger Sprechgesang, Zappeln, Hampeln und mit dem linken Arm wackeln, entpuppte sich als simpler Ersatz für fehlende musikalische Substanz. Der Tribut an den Zeitgeist degradierte die Band zum Produzenten stumpfer Gebrauchsmusik. Ein klischeehafter Schluss, den das Jazzfestival so nicht verdient hatte.


Sindelfinger Zeitung

Gefördert und gefordert vom Jazz

Böblingen - Erstes Jazz-Festival eröffnet mit Ausstellung in Kongresshalle und Doppelkonzert in Kirche

Von unserem Mitarbeiter Bernd Heiden

Zur Vernissage von Jazz und Kunst im Foyer der Kongresshalle am Freitag um 18 Uhr mit Kollagen von Schülern des Böblinger Albert-Einstein-Gymnasiums, Jazzerportraits von Fotograf Rüdiger Schestag, teils spielbaren Schmuckstücken von Susanne Gürtler nebst Vorstellung des neuen Jazz-Internetradios (www.jazz-network.com) ward Tilman Jäger nicht gesehen.

Zwei Stunden später in der beinahe ausverkauften Stadtkirche auf dem Schlossberg verkündete Festival-Organisator Ralf Püpcke eine Schreckensbotschaft. Jäger könne das erste Böblinger Jazz-Festival leider nicht selbst eröffnen. "Tilman Jäger ist im Krankenhaus", sagte Püpcke.

Durchschlagender Erfolg

Keine Panik: Am Samstagabend in der Kongresshalle durfte man Tilman Jäger dann zur quasi zweifachen Vaterschaft bereits gratulieren. Seine Frau hatte in der Nacht den ersten Jäger-Sohn zur Welt gebracht. Und das erste Jazz-Festival zeichnete sich bereits als durchschlagender Erfolg ab: Die ersten zwei von drei Doppelkonzerten waren beinahe ausverkauft. Wer aber würde bestreiten, dass Jäger der Vater dieses Festivals ist? Niemand.

Dabei initiierte der Musiklehrer des AEG und langjähriger Leiter der schuleigenen Big-Band, Landesjazzbeauftragter und Jazzpianist nicht nur diesen teils hochrangig besetzten Jazzgipfel. Jäger schmiedete auch die Karrieren vieler Jazzmusiker, von denen einige in der All-Star-Big-Band, die vor dem Bundesjazzorchester in der Kongresshalle ihren Auftritt hatte, zu hören waren.

Erfolge als Komponist

Zum Beispiel Pianist Jörg Hoiß, Abi Jahrgang 99. Er kam mit 14 Jahren zur AEG-Band und damit richtig auf den Jazz-Geschmack. "Durch Tilman Jäger hab ich mein Ziel entdeckt", sagt der ehemalige AEG-Schüler, der zwischenzeitlich Jazz an der Stuttgarter Hochschule studiert und schon kleinere Erfolge als Komponist verbuchen kann.

Wie Hoiß, so sammelte E- und Kontrabassist Martin Simon erste Big-Band-Erfahrungen im Jazzorchester des AEG. Seit letztem Jahr hat er das Jazz-Diplom der Mannheimer Hochschule in der Tasche. Tilman Jäger habe ihn "gefördert und gefordert", so Simon. Vor allem für die eigene Spiel-Disziplin sei die Big-Band eine wichtige Schule gewesen: "In kleineren Besetzungen spielt man viel offener und freier." Und die teilweise richtig krummen Rhythmen der Jäger-Arrangements hätten ihn schnell weggeführt vom einfachen "straight-on" des normalen Swing.

Abschluss in einem Jahr

"Das AEG hat mich zum Jazz gebracht", sagt auch Jogi Weiss, der mit 13 Jahren erstmals hinter dem Drumset der AEG-Band saß und in einem Jahr seinen Jazz-Abschluss an der Stuttgarter Hochschule anvisiert. Schlagzeuger Weiss, der es bis in das Bundesjazzorchester geschafft hat, ist dabei genauso illusionslos wie Bassist Simon. Wer nur die Jazzkarte zieht, hat schnell verloren.

"Du musst auch Unterhaltungsmusik spielen", sagt Simon, "mit eigener Musik hast Du es schwer." Viele Stilrichtungen beherrschen und Studioarbeit machen, lautet das Musik-Rezept von Jogi Weiss. Beide Musiker widersprechen auch einem hartnäckigen Vorurteil. Absolute Sicherheit beim Notenlesen ist auch für Jazzer Pflicht. Weiss: "Gerade im Big-Band-Bereich gibts da keinen Unterschied zur Klassik."


Groove, Biss, Disziplin und Präzision

Böblingen - Lokal- und Nationalmannschaft des Big-Band-Jazz treffen beim ersten Festival in der Kongresshalle aufeinander

Von unserem Mitarbeiter Bernd Heiden

Es war zwar kein offizieller Wettbewerb in der Böblinger Kongresshalle. Irgendwie hat das Aufeinandertreffen von zwei Big-Bands in einem Konzert aber immer Duell-Charakter. Die vermeintlich hoffnungslos unterlegene All-Star-Truppe des AEG unter Leitung von Tilman Jäger schlug sich dabei im Direktvergleich zum Bundesjazzorchester unter Dirigent Peter Herbolzheimer mehr als wacker.

Tilman Jäger, der während des von der Stadt mit 35000 Mark geförderten Festivals Vater wurde, ist auch Ziehvater der seit zehn Jahre bestehenden Big-Band des Böblinger Albert-Einstein-Gymnasiums (AEG), die vergangenes Jahr den deutschen Orchester-Wettbewerb gewann. Aus den Reihen dieser 2000er-Band und einigen Ehemaligen stellte Jäger die AEG-All-Star-Big-Band zusammen. So fanden sich auf der Bühne bis auf zwei Musiker lauter Jazz-Studenten und dazu einige hartgesottene Jazz-Profis, allen voran Landesjazzpreisträger Andy Maile.

So mutet es zwar ein wenig wie der Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen an, orientierungshalber sei aber gesagt, dass diese All-Star-Formation in Sachen Groove, Biss, Disziplin und Präzision eine gute Stufe über der "normalen" AEG-Band agierte, was vermutlich auch an einer guten Abmischung in der Halle lag.

Die Lokalmatadoren präsentierten viele Stücke aus der Feder Tilman Jägers (Bild: Stampe), in denen zeitgenössische Jazz-Strömungen wie die Rückbesinnung auf altes Liedgut verarbeitet werden ("Guten Abend, gute Nacht", "Unruhige Wälder") und knifflige Taktmaße wie Sieben-Vierteler ("Oh when the Saints") einfließen. Insgesamt boten die All-Stars einen breiten Überblick über moderne Big-Band-Möglichkeiten von Swing ("Strike up the band") bis Jazz-Funk ("Jazzt hats Gefunkt") unter Berücksichtigung neuerer Komponisten wie Sammy Nestico ("A pair of aces").

Neben Improvisationen zum Zungenschnalzen wie von Frank Lauber und Andy Maile bei "Nestico" blieb damit auch Raum für einen Schlagzeuger wie Jogi Weiss, um einfach durchschaubare Strickmuster aufzuknacken.

Im Vergleich dazu wirkte das Bundesjazzorchester schlichtweg altmodisch bis altbacken, bis auf wenige Latin-Einschüsse und Groove-Auflockerungen setzten die leger auftretenden Jungs und Mädels unter Peter Herbolzheimer (Bild: Stampe) fast ausnahmslos alles auf die Swing-Karte. Die freilich spielten sie atemberaubend.

Schwindelerregend rasante und supervirtuose Tutti-Fills, Konturen wie mit dem Rasiermesser gezogen, Energiefluss ohne Ende bei blitzschnellem Wegducken in Pianissiobereiche, geschliffene Phrasierung und Stabilität in obersten Tempobereichen sowie überzeugende Vocaleinlagen lösten glaubhaft den Titelanspruch ein, "Nationalmannschaft des Jazz" zu sein, wie Festival-Organisator Ralf Püpcke formulierte.

Aber: Auch wenn das "Bujazzo" aus einem weit größeren Solistenpool schöpfte als die Böblinger All-Stars was sich insbesondere bei den Trompeten bemerkbar machte , selbst in der Nationalmannschaft spielen längst nicht alle in der Liga der Familien Marsalis oder Brecker.

Als erstes Folgekonzert des Festivals organisiert Tilman Jäger am 9. November um 20 Uhr in der Kongresshalle "Jazz-Time" mit Gästen wie Jogi Weiss, Martin Simon, Uli Gutscher und Ines Füldner.


Humorvolle Paukenschläge

Böblingen - Filmmusik mit Jogi Nestel beim Jazz-Festival

Von unserem Mitarbeiter Thomas Volkmann

"Jeder Nadelstich wird sitzen", behauptet der unvergessliche Komiker Karl Valentin in seinem ersten Lang- und gleichzeitig letzten Stummfilm "Der Sonderling" auf doppeldeutige Weise. Eindeutig gesessen haben auch Jogi Nestels perkussive Begleitmaßnahmen am Sonntag beim Jazzfestival in Böblingen.

Der vielseitige Schlagzeuger unterstützte mit seinen Schlag- und Klanginstrumenten das tragikomische Verwirrstück auf faszinierende Weise. Ganz ohne Worte kommen auch Stummfilme selten aus. Eingeblendete Schrifttafeln sorgen für Klarheit beim Zuschauer. Die erste dieser Einblendungen las Jogi Nestel dem Publikum vor. Natürlich auf seine besondere Weise. Den Text sprach Nestel durch eine Tröte, was sich wiederum wie Entengeschnatter anhörte. Somit hatte auch der Livebegleiter von Beginn an die Lacher auf seiner Seite.

"Sonderling" nach "General"

Spezialist für filmunterstützende Musik ist Jogi Nestel seit 1995. Mit Buster Keatons "Der General" hat es der Böblinger Schlagzeuglehrer auf mittlerweile über 70 Auftritte gebracht. Doch während Schlagzeug und Perkussion bei Keaton wiederholt mit ihrem kraftvollen Antrieb die aktionsreichen Szenen unterstützten, war beim mehr auf kleine Pointen setzenden "Sonderling" ein eher zurückhaltendes Agieren angesagt. So brauchte es zu Beginn durchaus ein paar Momente, bis Bild und Ton wirklich gleichberechtigt nebeneinander standen.

Geholfen hat sich Jogi Nestel insbesondere durch ein umfangreiches Sortiment an Steel-Drums, deren unterschiedliche Klangfarben nicht nur rhythmisch, sondern eben auch melodiös unterstützten. Wie die eingangs erwähnten Nadelstiche Valentin piesackte einen Schneiderkunden, indem er ihm Abstecknadeln in die Jackentasche schmuggelte saßen Nestels Trommelschläge und Geräuscheinlagen punktgenau, insbesondere die Slapstickmomente erfuhren hier eine Aufwertung.


Presseinfos

Pressemitteilung vom 1. September 2001

Bundesjazzorchester beim ersten Böblinger JazzFestival vom 5.-7. Oktober 2001
Abwechslungsreiches Programm mit Jazz, Weltmusik, Stummfilmvertonung und der Ausstellung "Jazz & Kunst"


Jazz-Fans können vom 5. bis 7. Oktober beim 1. JazzFestival Böblingen in der CCB Kongresshalle und in der Stadtkirche ein abwechslungsreiches Programm geniessen. Die Idee zum ersten Böblinger JazzFestival hatte der Jazz-Pianist und Musiklehrer am Albert-Einstein-Gymnasium in Böblingen (AEG), Tilman Jäger, der auch Jazzbeauftragter des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport ist.

Hintergrund ist das 10-jährige Jubiläum der AEG Big-Band, seit 1991 unter der Leitung von Tilman Jäger. Aus ihr gingen einige hervorragende Jazzer hervor wie beispielsweise Andy Maile, der 1996 als "Jazz-Preisträger Baden-Württemberg" ausgezeichnet wurde und heute in der hiesigen Jazz-Szene fest etabliert ist. Absolventen des AEG-Musikzuges spiel(t)en im Landes- und Bundesjazzorchester, studier(t)en an Musikhochschulen zwischen Stuttgart und New York und haben sich von der Klassik bis zum Jazz einen Namen gemacht. Um das Big-Band-Jubiläum entsprechend zu feiern, hat Tilman Jäger die AEG All Star Big-Band gegründet. Gleichzeitig holt er damit seine Ehemaligen für ein besonderes Konzert nach Böblingen zurück. In der AEG All Star Big-Band sind die besten Jazzer der Vergangenheit und Gegenwart vereint. Was zunächst nur als einzelnes Konzert angedacht war, erweiterte sich zu einem dreitägigen JazzFestival. Tilman Jäger hat ein ausgewähltes Programm zusammengestellt, das sich Freunde des Jazz nicht entgehen lassen sollten.

Eröffnet wird das 1. JazzFestival Böblingen mit einem Doppelkonzert (Freitag, 5.10., 20 Uhr, Stadtkirche Böblingen). Zunächst verbindet das Pipes And Phones Trio den Klang von Orgel, Saxophon und Percussion mit dem natürlichen Hall des Kirchenraums. Peter Lehel am Saxophon gewann 1997 den Jazzpreis Baden-Württemberg und wird zusammen mit Peter Schindler an der Orgel und Markus Faller an den Schlaginstrumenten auftreten. Nach der Pause präsentieren David Orlowsky's Klezmorim traditionelle Klezmer-Stücke, die neu interpretiert und arrangiert wurden. Die Musiker haben die Idee des Klezmer weiter gesponnen und spielen ihre junge, dynamische Musik mit viel Emotionalität und Ausdruckskraft. Ihr Auftritt in der Stadtkirche ist dabei die Rückkehr an einen vertrauten Ort, wurde dort doch vor ein paar Monaten ihre neue CD "Sedum" aufgenommen. Der Klarinettist David Orlowsky gilt mit seinen erst 20 Jahren als das Nachwuchstalent für Klezmer und stand bereits mit dem Klezmer-Star Giora Feidman auf der Bühne. Er wird begleitet vom ehemaligen Böblinger Jo Ambros an der Gitarre und dem Tübinger Florian Dohrmann am Kontrabass.

Absoluter Höhepunkt des Festivals wird das Doppelkonzert der AEG All Star Big-Band mit dem Bundesjazzorchester und seinem Bandleader Peter Herbolzheimer sein (Samstag, 6.10., 20 Uhr, CCB, Europasaal). Dabei hat die AEG All Star Big-Band in Böblingen ein Heimspiel. Ihrem Publikum präsentieren sie die Highlights der letzten 10 Jahre, darunter auch Eigenkompositionen des Bandleaders Tilman Jäger. Die Musiker gewannen als ehemalige Musikzug-Schüler des AEG den 1. Preis bei "Jugend jazzt" (1993) und beim deutschen Orchester-Wettbewerb (2000). Das Bundesjazzorchester interpretiert Jazz-Titel von Charlie Parker, Clifford Brown, Dave Brubeck, Benny Goodman, Miles Davis, Duke Ellington, Thad Jones, Michael Brecker und Thelonious Monk. Die Zuhörer werden an diesem Abend ein besonderes Konzert erleben und können sich beim Bundesjazzorchester auf den besten Jazz-Nachwuchs aus Deutschland freuen.

"Jazz & Brunch" gibt es beim 1. JazzFestival Böblingen zum Auftakt des letzten Tages (Sonntag, 7.10., 11 - 15 Uhr, CCB, Seerestaurant und Foyer Europasaal). Neben kulinarischen Leckereien für Bauch und Seele, werden Musiker des Festivals die Besucher mit bekannten Jazz-Standards verwöhnen. Am Sonntag Nachmittag wird Karl Valentins skuriler Stummfilm "Der Sonderling" gezeigt, untermalt von Live-Musik durch den Percussionisten Jogi Nestel (Sonntag, 7.10., 16 Uhr, CCB, Württemberg-Saal). Das Abschlusskonzert beginnt mit Frank Laubers "rondvaart" und einer Hommage an Nino Rota. "rondvaart" ist sowohl Name als auch Programm des Jazz-Ensembles und beschreibt die unterschiedlichen Bahnen der Menschen um den Planeten Erde, die immer wieder, scheinbar zufällig an einem bestimmten Punkt aufeinandertreffen. In der zweiten Hälfte spielt die CommonSenseMilleniumBand Jazz-Rock und Ambiance. Mit dabei u.a. Andy Maile am Saxophon, Martin Johnson am Piano und Christoph Sauer von Freundeskreis am Bass (Sonntag, 7.10., 20 Uhr, CCB,Württemberg-Saal).

Im Rahmen der Ausstellung "Jazz & Kunst" zeigt der Stuttgarter Fotograf Rüdiger Schestag Bilder aus seinem Buch "Jazz in Stuttgart". Die Texte sind aus der Feder des bekannten Stuttgarter Jazz-Kritikers Werner Stiefele. Die Schmuck-Designerin Susanne Gürtler präsentiert ihre Arbeiten, die aus der Verschmelzung von Jazz und Kunst entstanden sind. Zudem werden die Designerin Nici Schulcz und der Gestalter Henning Brandes die fahrbare Bühne SoulMobil ausstellen und haben Oberstufenschüler des AEG das Thema in Bildern verarbeitet (Vernissage: Freitag, 5.10., 18 Uhr. Ausstellung: 6./7.10., CCB, Foyer).

Veranstalter des 1. JazzFestival Böblingen ist Püpcke Kulturkommunikation in Verbindung mit Tilman Jäger, dem Amt für Kultur der Stadt Böblingen und dem CongressCentrum Böblingen. Die Mitfinanzierung des Festivals ist auch den Sponsoren Kreissparkasse Böblingen, Best Western Hotel Berlin und aZIS Hallengastronomie Betriebs GmbH zu verdanken. Das ausführliche Veranstaltungsprogramm und Karten im Vorverkauf gibt es bei der Kreiszeitung Böblingen (Telefon 0 70 31 20 62 00 - 29) und bei der CCB-Stadtinformation (Telefon 0 70 31 6 61 - 1 00), außerdem für das Konzert am Samstag 6.10. (Bundesjazzorchester/All Star Big-Band) bei allen Easy-Ticket-Vorverkaufsstellen in Baden-Württemberg (Hotline 07 11 - 2 55 55 55, www.easyticket.de).

Pressekarten, Pressefotos sowie den Pressetetxt als Datei per e-mail
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Püpcke Kulturkommunikation
Herrn Ralf Püpcke
Dieselstraße 28/1, 70469 Stuttgart
Telefon 07 11 - 8 38 27 77
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